Pointe de Pontusval

Herbstleuchten in der Nordbretagne

Von Kürbisfeldern, Stränden und exotischen Gärten

Man kann die Bretagne in Departements, nach Küstenabschnitten (Côte des Légendes, Côte de granit rosé usw.) oder Himmelsrichtungen einteilen, jeder Reiseführer definiert anders.

Wir machen uns Ende September auf den Weg in die Nordbretagne oder genauer: in den nördlichen Teil des Finistère, zur Côte de Léon. Unser Ferienhaus liegt auf halber Strecke zwischen Roscoff und Saint-Pol-de-Léon, die perfekte Basis für Erkundungen aller Art.

Beide Orte sind höchst sehenswert, jeder auf seine Art, doch fällt unsere persönliche Wahl auf die einstige Korsarenstadt: Roscoff trägt die Auszeichnung „Petite Cité de Caractère“ zu Recht und präsentiert dezent informativ ihr geschlossenes Stadtbild aus Granit. Viele Gebäude erzählen ihre Geschichte und die ihrer Bewohner, und wer mag, geht mit auf eine spannende Zeitreise von Stadt und Hafen.

Irgendwann stehen wir vor dem Haus, in dem Alexandre Dumas, französischer Erfolgsautor des 19. Jahrhunderts („Die drei Musketiere“ u.a.), das Zwiebelkapitel für sein Kochlexikon verfasst hat. Wir schmunzeln, gehen weiter und tauchen ein in die entspannte Atmosphäre der langgestreckten Hafenpromenade und der zahlreichen (geöffneten!) Cafés.

Dank der bestens funktionierenden französischen „TousAntiCovid“-App für Smartphones ist trotz Pandemie auch der Besuch von Schlössern, Restaurants, Gärten und Konzerten wieder möglich.

Zuvor aber zieht es uns an die Plage de Kersaliou, unseren „Hausstrand“, der von Reiseführern weitgehend ignoriert wird. Vermutlich gibt es in der Region einfach zu viele Strände, deren Vielfalt und Schönheit bemerkenswert ist. Egal, ob Badefreudige, Muschelsucher, Strandfischer, Picknicker oder andere Strandhungrige – alle finden hier „ihren“ Strand, von feinsandig bis felsig, intim oder von unendlicher Weite. Aber das erwartet man irgendwie auch in der Bretagne, oder?

Nordbretagne - Am Strand von Kersaliou: Marée Basse für Romantiker
Am Strand von Kersaliou: Marée Basse für Romantiker© ferienwohnungen.de

Eher überraschend finden wir die Gärten. Wir besuchen zwei sehr unterschiedliche, den Jardin Botanique in Roscoff und den Jardin Delaselle auf der Ile de Batz, dem der Hafenstadt vorgelagerten Bilderbuch-Eiland.

Der Jardin Botanique lädt zum Philosophieren, Plaudern und Picknicken ein
Der Jardin Botanique lädt zum Philosophieren, Plaudern und Picknicken ein© ferienwohnungen.de

Der Jardin Botanique eröffnet einen ungewohnt biografischen Zugang zu den exotischen, teils subtropischen Pflanzen, über Tafeln mit der Geschichte ihrer Entdecker; der Jardin Georges Delaselle orientiert sich eher an englischen Landschaftsgärten.

Garten-Kunst bei Georges Delaselle, Ile de Batz
Garten-Kunst bei Georges Delaselle, Ile de Batz© ferienwohnungen.de

Beide Gärten leuchten auch zu dieser Jahreszeit noch um die Wette. Welches der schönere ist? Schwer zu sagen – fahrt einfach hin und urteilt selbst!

Im Hinterland von Roscoff liegt das Château de Kerjean, ein Renaissance-Schloss aus dem 16. Jahrhundert. Wir sind fast allein dort, was sich im Innenhof-Café mit einem gewissen Gefühl von Exklusivität verbindet.

Nordbretagne - Château Kerjean, Blick von der Festungsmauer in den Innenhof
Château Kerjean, Blick von der Festungsmauer in den Innenhof© ferienwohnungen.de

Die Anlage hat eher Festungscharakter und ist doch von italienischer Leichtigkeit, und, obwohl der größte Teil des Schlosses ein Wiederaufbau ist, überzeugt das Gesamtensemble. Die Innenräume sind mit Mobiliar der Zeit ausgestattet; eine kulturgeschichtliche Ausstellung ergänzt mögliche Leerstellen (den einführenden Film über die Geschichte des Schlosses und seine Bewohner sollte man sich nicht entgehen lassen).

Ende September/Anfang Oktober haben wir noch überwiegend sonnige Tage bei milden Temperaturen um 18°C, das heißt: perfektes Wanderwetter. Die Nordbretagne hat ein ausgedehntes Wanderwegenetz, die Pfade sind durchweg gut markiert und geben immer wieder den Blick frei auf atemberaubende Panoramen.

Auf dem Küstenpfad von Carantec
Auf dem Küstenpfad von Carantec© ferienwohnungen.de

Unterstützt werden wir bei der Planung durch den kleinen, aber hilfreichen Guide „Finistère Nord“ von Pierrick Gavaud (für Tagestouren und ausgedehnte Spaziergänge) aus der Edition Ouest France, die sich schon auf früheren Reisen bewährt hat.

Unsere Wanderungen führen unter anderem zur Küste bei Carantec, zur Pointe de Pontusval, zur Île de Batz, ins „Pays des Abers“, das „Land der Fjorde“ und ins Moor der Monts d’Arrée.

Nordbretagne - Fantastische Tierwesen und wo sie zu finden sind: am Strand von Pontusval
„Fantastische Tierwesen und wo sie zu finden sind“: am Strand von Pontusval© ferienwohnungen.de
Ile de Batz: (Fast) alle Wege auf der Insel Batz münden in türkisblauem Wasser und leuchtend weißem Sand
Ile de Batz: (Fast) alle Wege auf der Insel Batz münden in türkisblauem Wasser und leuchtend weißem Sand© ferienwohnungen.de
Eine Moorwanderung, die Erinnerungen an Schottland und Lappland wachruft
Eine Moorwanderung, die Erinnerungen an Schottland und Lappland wachruft© ferienwohnungen.de

Eine Beobachtung, die wir auf allen Wanderungen machen: Wege und Landschaft sind blitzblank, was erfreulicherweise auch für die Strände zutrifft.

Wandern macht bekanntlich hungrig. Waren Märkte im letzten Jahr nur reduziert zugänglich, so ist inzwischen der Besuch auf dem Wochenmarkt fast wieder normal, wenn auch mit Maskenpflicht. In Lesneven schätzen wir das relaxte Markttreiben, in Roscoff die Anwesenheit eines lokalen Fischers, der seinen Fang im Direktverkauf anbietet (inzwischen eine Seltenheit), in Morlaix die einer Theaterbühne gleichende Lage.

Vor allem, was Gemüse betrifft, hat die Nordbretagne einiges zu bieten, gilt sie doch als potager (Küchengarten) Frankreichs. Um diese Jahreszeit leuchten die Kürbisfelder, wir sehen Kohl in vielen Varianten, Artischocken und vor allem: Zwiebeln! Die Zwiebeln aus Roscoff sind eine AOP-geschützte Marke mit eigener Geschichte:

Jeder Strang Roscoff-Zwiebeln trägt ein Herkunftsetikett
Jeder Strang Roscoff-Zwiebeln trägt ein Herkunftsetikett© ferienwohnungen.de

Seit Mitte des 19. Jahrhunderts kennt man in England die Zwiebelhändler aus Roscoff, die „Onion Johnnies“. Bis in die 1960er Jahre vertrieben sie ihre rosa Zwiebeln, die von charakteristischem Aroma sind, süßlich, leicht scharf und überaus bekömmlich. Ihrer Geschichte widmet sich ein kleines Museum in Roscoff, dessen Öffnungszeiten leider nicht in unser Programm passen.

Dafür haben wir Glück, dass wir im „Comptoir des Johnnies“ noch reservieren können. Das an der Verbindungsstraße zwischen Saint Pol de Leon und Morlaix gelegene Restaurant mit Hofladen gefällt uns so gut, dass wir später erneut dort einkehren. Beim zweiten Besuch werden wir wie selbstverständlich bereits mit Vornamen begrüßt. Und die (lokalen!) moules frites zaubern ein Leuchten auf unsere Gesichter – Bessere haben wir nie gegessen!

Die Entdeckung des Urlaubs kommt jedoch eher unscheinbar daher: haricots coco, frische weiße Bohnen.

Bretonischer Snack: Salat von frischen weißen Bohnen und Tomaten, gekochte Artischocken in Vinaigrette, Baguette und, natürlich - Cidre
Bretonischer Snack: Salat von frischen weißen Bohnen und Tomaten, gekochte Artischocken in Vinaigrette, Baguette und, natürlich – Cidre© ferienwohnungen.de

Hierzulande kennen wir sie nur getrocknet oder gegart aus Gläsern oder Dosen; als Schote sind sie auf kaum einem deutschen Markt vertreten. Sie werden in kurzer Zeit gar, sind aromatisch und von zarter, cremiger Konsistenz, die ihresgleichen sucht. Ein Grund mehr, um zu dieser Jahreszeit seinen Urlaub in der Nordbretagne zu verbringen …

Der Vollständigkeit halber sei auch erwähnt, was uns traurig macht: Hatte bis vor kurzem noch beinahe jedes Dorf „seine“ Bäckerei, so müssen wir diesmal viel Zeit für die Suche nach frischem Brot aufwenden. Eine skurrile Bestätigung dieser Entwicklung finden wir in Guerlesquin, einem hübschen Marktflecken bei Morlaix, wo man die örtliche Boulangerie nurmehr als Graffito auf einer Hauswand sieht – ein Jammer!

Nordbretagne - Guerlesquin: ein Wandgemälde ersetzt die Bäckerei
Guerlesquin: ein Wandgemälde ersetzt die Bäckerei© ferienwohnungen.de

Ähnlich skurril mutet auch eine Tankstelle irgendwo an der Verbindungsstraße zwischen Quimper und Morlaix an: Hier „tankt“ man Vinyl, nicht Kraftstoff.

Vinyl in ehemaliger Tankstelle, Plouenoeur-Menez
Vinyl in ehemaliger Tankstelle, Plouenoeur-Menez© ferienwohnungen.de

Wir hatten es im YouTube-Porträt des Chansonniers Renan Luce gesehen („Abers Road“ von Gaëtan Roussel, 2021) und MÜSSEN einfach anhalten, als wir vorbeikommen. Ohne Vinyl, aber glücklich mit zwei neuen Jazz- und Blues-CDs fahren wir weiter …

Apropos Blues: das jährliche Blues-Festival in Belle-Isle-en-Terre können wir uns nicht entgehen lassen. Letztes Jahr ist es coronabedingt ausgefallen, so dass wir uns lange im Voraus Tickets gesichert haben. Anders als zunächst angegeben, ist erst um 20.00 Uhr Einlass, die erste Band beginnt um 21.30 Uhr, der Hauptact um 23.00 Uhr. Es wird eine lange Nacht, in der die Sterne besonders hell leuchten.

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