Urlaub in Kroatien

Kroatien: Zauberwelt aus Bergen, Inseln und Meer

Wer sie erleben will, sollte nicht im Sommer kommen!

Es ist Ende August und wir wollen mit dem Reisemobil sechs Wochen lang durch Kroatien reisen. Zuerst durch Istrien und dann immer an der Küste entlang bis zur Paklenica-Schlucht. Erste Station ist das hübsche Hafenstädtchen Novigrad mit seinen Bürgerhäusern und Palästen. Zu Ehren irgendeines Heiligen findet gerade ein Fest statt. An der Promenade sind diverse Imbissstände mit kroatischen Spezialitäten aufgebaut. An einer der Buden essen wir knusprige Calamari, an einer anderen leckere Muscheln. Der Service ist freundlich und dabei doch zackig, alles ist perfekt organisiert.

Köstlichkeiten auf einem Fest in Novigrad
Köstlichkeiten auf einem Fest in Novigrad© Klaus Peter Geib

Diesem Perfektionismus werden wir noch oft in Kroatien begegnen: Optimal und liebevoll angelegte Campingplätze, reizende Restaurants, schön restaurierte Städte, freundlicher Service, attraktive Sportangebote, Kinderbetreuung, Unterhaltung und Animation. All das verhilft zu einem unbeschwerten Familienurlaub. Für uns, die wir eher ursprüngliche und ruhige Ecken suchen, scheint das Land auf den ersten Blick nicht so gut geeignet zu sein. Aber wir wollen nicht zu früh urteilen. Vielleicht entdecken wir nach Saisonende das eigentliche Kroatien, das jetzt nur diffus auszumachen ist zwischen den Touristenmassen und hinter all den Hüpfburgen, Wasserrutschen und Beachbars.

Kroatien - Kirche in Porec
Kirche in Porec© Klaus Peter Geib

Mit dem Roller geht es am nächsten Tag nach Porec, einem „Bilderbuchstädtchen“. Malerisch liegt die Altstadt auf einer Halbinsel, die wir entlang der Promenade umrunden. An besonders schönen Stellen führen Leitern oder Treppen ins kristallklare Meer. Wir haben noch nie so sauberes Wasser in der Nähe einer Stadt und eines Hafens gesehen. Badegäste haben ihre Handtücher auf Bänken oder Mauern ausgebreitet und ihre Körper Richtung Süden ausgerichtet, Sonnenkompassnadeln gleich.

Kirche in Porec
Kirche in Porec© Klaus Peter Geib

Wir werfen einen Blick in die Euphrasius-Basilika aus dem 6. Jahrhundert, die zum UNESCO-Weltkulturerbe gehört. Farbenreiche Mosaike, Gold und Silber. Weiter entlang der Decumanus, der Hauptstraße, die schon die Römer vor 2000 Jahren nutzten. Souvenirladen reiht sich an Souvenirladen, Restaurant an Restaurant, Café an Café.

Porec
Porec© Klaus Peter Geib

Bei strömenden Regen verlassen wir die Küstennähe. Dicke Wolken umhüllen uns und die Scheibenwischer huschen über die Windschutzscheibe, ohne die Wassermassen bewältigen zu können. Auf einem Stellplatz bei einem Bauernhof in Vizinade legen wir daher schon wieder einen Stopp ein. Ruhig und beschaulich ist es hier. Erstaunlich, in Anbetracht der Nähe der überfüllten Strände. In Regenkleidung machen wir einen kleinen Rundgang durch das Dorf. Unsere Hündin Kara ist anschließend völlig durchnässt und in ihren Pfoten klebt dicke, rote Erde. Klar, man nennt das fruchtbare Küstenumfeld ja auch Terra Rossa. Am Abend gönnen wir uns ein delikates Essen im gemütlichen Restaurant. Rotkarierte Tischdecken und verführerischer Duft aus der Küche haben uns zur Einkehr bewogen.

Pula soll mit seinen byzantinischen und römischen Kulturdenkmälern sehr sehenswert sein, aber das historische Juwel bleibt von uns unentdeckt. Auch die südlich von Pula liegende beeindruckende Halbinsel- und Inselwelt, seit 1983 teilweise ein Nationalpark, bleibt für uns nur eine Information im Reiseführer, denn wir finden keinen geeigneten Campingplatz in der Nähe. Langsam löst dieser Touristenrummel eine ernste Reisekrise in uns aus.

Am Strand
Am Strand© Klaus Peter Geib

Wir beschließen in den Osten Istriens weiterzuziehen. Zerklüftetes Kalkgebirge macht die Region in weiten Teilen unzugänglich. Daher ist sie dünn besiedelt und touristisch kaum erschlossen. Bei Labin, einem entzückenden Städtchen – in Kroatien sind wohl alle Städtchen hinreißend! – finden wir eine Anlage, umgeben von traumhaften Badebuchten. Auch diese Einrichtung ist trotz der langen Anfahrt noch sehr voll. Aber die waldreichen, schroffen Gebirgshänge, die malerischen Kiesstrände und das klare Wasser sind so verlockend, dass es uns gelingt, den Rest auszublenden. Dieser Rest besteht aus engen Stellplätzen, hohen Preisen, grässlichen Imbissbuden sowie grölenden und saufenden Jugendlichen.

Nach zwei Tagen Badespaß setzen wir unsere Reise fort. Auf schöner Strecke, immer entlang der felsigen Küste. Durch gepflegte Feriendörfer und durch das mondäne Opatija mit seinen prächtigen Villen. Immer wieder warnen Straßenschilder vor möglichen Staus. „Im Sommer muss ja hier der Teufel los sein“, mutmaße ich. Danach geht es ein Stück auf der Autobahn weiter, um die Großstadt Rijeka zu umfahren. „Und schon liegt Istrien hinter uns“, stelle ich fest. „Pula nicht gesehen, Rovinj nicht gesehen, keine Austern am Limskikanal oder Trüffelnudeln im Hinterland gegessen, keine Wanderung durchs Gebirge oder entlang des Lungomare in Opatija gemacht und nicht durch die südliche Inselwelt gestreift.“ Mit einem unzufriedenen Blick auf den heute wieder regnerisch trüben Himmel ziehe ich dieses enttäuschende Resümee. Aber wir kennen das. Es dauert immer eine Weile, bis die durch Reiselektüre entstandenen idealisierten Kopfbilder sich mit der Wirklichkeit synchronisiert haben. Erst dann ist wieder kreatives Reisen möglich.

Fischer beim Einholen des Netzes
Fischer beim Einholen des Netzes© Klaus Peter Geib

Über die imposante, etwa 1,5 km lange Brücke, fahren wir auf die größte Insel der Adria, Krk. Von der Festlandseite präsentiert sie sich kahl. Die Bora, der kalte, lebensfeindliche Fallwind, lässt an der Ostseite kaum Vegetation zu. Hinter den ersten Hügeln dann viel Grün, niedriger Wald, Macchia. Verfallene Mauern, brachliegende Felder, wuchernde Weinstöcke. Später dann Olivenhaine. Von dem ursprünglichen römischen Inselnamen „Curictarum“ ist nur das spröde „Krk“ übriggeblieben. Auf kurvenreicher Strecke geht es über einen Pass. Zwei Steinmonumente fallen uns ins Auge. Es sind die Buchstaben A und B des glagolitischen Alphabets. In der Umgebung von Baska findet man die restlichen 31 Buchstaben in Stein gehauen. Sie erinnern an die „Tafel von Baska“, das auf 1100 datierte Dokument der ältesten slawischen Schrift. Endlich erreichen wir den Stellplatz, der nach unserem Geschmack ist. Vorne am Strand der übliche Trubel, weiter hinten jedoch Ruhe, Grün und viel Abstand zum Nachbarn.

Wir steigen die steilen Stufen hinauf in die Altstadt und sind nach wenigen Minuten völlig allein. Auch beim Spaziergang mit Kara begegnen uns nur wenig Menschen. Ein entspannender Weg führt an einem Bach entlang, in dem unser Hund ausgelassen planscht. Für sportliche Wanderer sind diverse Gebirgsrouten ausgewiesen, die fast alle als anspruchsvoll bezeichnet werden. Es wird sogar empfohlen, sie nur in einer Gruppe zu begehen. Bei unseren moderaten Streifzügen genießen wir die Stille und den Duft nach Kräutern.

In Kroatien
In Kroatien© Klaus Peter Geib

Zurück auf dem Festland von Kroatien geht es weiter auf der gut ausgebauten, kurvigen Küstenstraße. Es regnet schon wieder. Regnen? Nein, es gießt, es strömt. Kleinen Wasserfällen gleich fließt und klatscht es von den Berghängen herunter. Links die schroffen, zerklüfteten Berge des Velebitgebirges, rechts das heute dramatisch graublaue Meer mit den vielen vorgelagerten Inseln. Wenige Minuten vorher schien noch die Sonne und ließ die von der Bora kahl gefegten felsigen Hänge der kleinen Eilande hell leuchten. Eine Traumkulisse. Jetzt aber verliert sich die Szenerie in den tiefhängenden und Wasser speienden Wolken. Mancherorts ist die Straße bis zu 30 cm hoch überschwemmt. Sturzbäche schießen über Mauern und Felsen. Nur mühsam kämpfen wir uns hindurch. Etwas mulmig ist uns doch geworden und so sind wir froh, dass wir in der Nähe des Nationalparks Paklenica noch das letzte einigermaßen trockene Plätzchen auf einem total überfüllten Campingplatz finden. Hier sieht man keine Familien mehr, sondern hauptsächlich Wanderfreudige und Kletterbegeisterte.

Am nächsten Morgen hat sich das Wetter beruhigt. Bei strahlendem Sonnenschein starten wir zu einer Wanderung in die größere der beiden Paklenica-Schluchten. Die kleinere dürfte aufgrund der starken Regenfälle unzugänglich sein. Durch diese Schluchten transportierten früher die Bewohner des fruchtbaren Hinterlandes ihre Waren zur Küste und deckten sich dort mit Salz und anderen Gütern ein. Heute haben sie ihre Dörfer meist verlassen. Der höchste Gipfel des Velebitmassivs ist der nur wenige Kilometer von der Küste entfernte Vaganski Vrh mit 1.757 m. Das klingt nicht viel, aber das mächtige Karstgebirge ist wild zerklüftet. Hier soll es noch Geier, Luchse, Bären, Wölfe und seltene Schmetterlingsarten geben.

Kletterer in der Paklenica-Schlucht
Kletterer in der Paklenica-Schlucht© Klaus Peter Geib

In der Schlucht fallen die Felswände bis zu 400 m senkrecht hinab und sind Magnete für Freikletterer. Die tummeln sich auch heute hier zahlreich. Braun gebrannte, drahtige, körperbetonte, meist sehr junge Leute. In schwindelnder Höhe kleben sie am Fels.

Kroatien - Kletterer mit seinem Equipment
Kletterer mit seinem Equipment© Klaus Peter Geib

Wir steigen den recht steilen, aber gut ausgebauten Wanderweg hinauf. Nun begegnen wir nur noch wenigen Menschen. Eigentlich wollen wir bis zur ersten Hütte wandern, aber ich mache schlapp. Auf halben Weg zittern meine Beine von der ungewohnten Beanspruchung so sehr, dass ich nicht mehr weiterkomme. Mein „Schwächeanfall“ hat aber auch etwas Gutes, denn kaum sind wir zurück am Wohnmobil, beginnt es wieder einmal in Strömen zu regnen. Es blitzt und donnert und braune Wassermassen schießen die Hänge und Straßen hinab. Mitten im Gebirge hätte ich dieses Unwetter nicht erleben wollen.

Ein paar Kilometer weiter in Seline finden wir einen schönen, großzügig angelegten Campingplatz direkt am Meer. Ruhig und beschaulich ist es hier. Das Meer meist spiegelglatt, die massiven Berge im Hintergrund stets von Wolken umhüllt. Eine träge Stille umgibt uns. Genau nach der haben wir uns gesehnt. Am Strand sieht man jetzt fast nur noch kroatische Ausflügler und Touristen. Vor den Cafés sitzen ältere Männer und trinken Kaffee. Immer öfter blitzt also Kroatien hinter der Sommerurlaubsidylle auf. Sonnige und trockene Tage mit schönen Spaziergängen in der Umgebung folgen.

Kroatien - Ein ruhiger Stellplatz in Seline
Ein ruhiger Stellplatz in Seline© Klaus Peter Geib

Bei einem dieser Erkundungsgänge staune ich wieder mal über unseren Hund. Hat er mir sogar das Leben gerettet? Nachdem Kara und ich eine ganze Weile am Strand entlanggelaufen sind, gehen wir jetzt über einen Pfad zurück in Richtung Campingplatz. Der Weg führt vorbei an der kleinen Kirche und Gärten, in denen Feigenbäume, Paprika, Tomaten und die überall präsenten Kohlköpfe wachsen. Ich fühle mich frei und glücklich. Diese emotionalen Höhenflüge sind mir bekannt. Sie befallen mich stets dann, wenn einerseits das Reiseland schon ein wenig vertraut geworden, aber seine Andersartigkeit noch intensiv spürbar ist. Jetzt verliert sich der Pfad in einem ausgetrockneten Bachbett. Querfeldein durch hohes Gras stakse ich daher weiter, immer Richtung Campingplatz. Wie ein Böckchen springt Kara zwischen dem Gestrüpp hin und her. Das macht ihr Spaß. Plötzlich bleibt sie wie angewurzelt stehen. Jetzt geht sie sogar rückwärts, den Blick jedoch weiterhin aufmerksam nach vorne gerichtet. Und da sehe auch ich den Grund ihrer Vorsicht: Eine große, schwarz-weiße Schlange kriecht nur wenige Schritte von uns entfernt durch das Gras. Wenig später klärt mich ein Klick im Internet darüber auf, dass es sich um eine Hornviper handelt, die giftigste Schlange Europas.

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