Fahrradurlaub
Fahrrad-Weltreise Teil 2: Von der Türkei durch den Kaukasus und den Iran in den Oman
Mit dem Urlaubär per Fahrrad von Istanbul nach Maskat
Was bisher geschah …
»» Fahrrad-Weltreise Teil 1: Von Deutschland in die Türkei
Voller Vorfreude darauf, was uns in Asien erwartet, überqueren Chris und ich mit einer der vielen kleinen Fähren den Bosporus. Auf der asiatischen Seite angekommen sieht die Welt kein bisschen anders aus als in Europa. Wir fangen also an in die Pedale zu treten und folgen dem Radweg entlang der Marmara-Küste raus aus Istanbul. Ein Verkehrschaos wie zuvor im westlichen Teil dieser Mega-City bleibt glücklicherweise aus.
Türkei – Asiatischer Teil
Je weiter wir in Richtung Osten radeln, desto weniger wird der Straßenverkehr. Das Fahren auf dem drei Meter breiten Seitenstreifen der Landstraßen ist äußerst komfortabel. Nach mehreren Tagen des Kletterns durch das hügelige und bewaldete Zentralanatolien sausen wir nach einigen Tagen bergab nach Ankara in die Hauptstadt der Türkei.
In Ankara kommen wir in einem Studentenwohnheim für junge Männer unter, da gerade Semesterferien sind und die meisten Studenten zu Hause bei ihren Familien sind. Die noch anwesenden Studenten sowie Herbergsmutter und Herbergsvater empfangen uns mit offenen Armen. Man tischt uns reichlich zum Abendessen auf und wir freuen endlich mal wieder warm duschen zu können.
Die Jungs nehmen sich die Zeit uns Ankara zu zeigen und uns ihre Kultur nahzubringen. Gemeinsam besichtigen wir Anitkabir, die Grabstätte von Mustafa Kemal Atatürk, dem Gründer der türkischen Republik. An einem anderen Tag besuchen wir die Nationalmoschee neben dem Präsidentenpalast. Nach dem Abendgebet, an dem wir teilnehmen, werden wir herzlich von einigen Besuchern und dem Imam begrüßt. Ein ungläubiges Lachen huscht über deren Gesichter, als sie hören, dass wir mit dem Fahrrad aus Deutschland hergekommen sind. Beim anschließenden Abendessen im Stadtzentrum finden wir heraus, dass Çiğ Köfte ein sensationeller Snack und Ayran ein perfektes Getränk ist, wenn man den ganzen Tag mit dem Fahrrad unterwegs ist.
Einige Tage später rollen wir durch eine lange Rechtskurve, als wir plötzlich in den Tuffstein gemeißelte Felsbauten auf einem Hügel entdecken. In diesem Moment wissen wir, dass wir im Herzen von Kappadokien, eine Landschaft in Zentralanatolien angekommen sind. Wir biegen links ab und holpern einen Schotterweg herunter. Am Rande des bekannten Love Valleys mit seinen Feenkaminen schlagen wir unser Zelt auf.
Wir stehen noch vor Sonnenaufgang auf, frühstücken und beobachten dabei, wie sich auf der anderen Seite des Love Valleys Heißluftballon-Fahrer auf ihre heutigen Touren vorbereiten.
In dem Augenblick, in dem sich die ersten Sonnenstrahlen über den Felsen zeigen, sehen wir die Heißluftballons aufsteigen. Es dauert nicht lange, bis so viele von ihnen in der Luft sind, dass wir gar nicht mehr wissen, wohin wir gucken sollen. Einige der farbenfrohen Ballons manövrieren durch das Valley, direkt an uns vorbei. Die Passagiere winken uns zu und wir winken zurück. Es ist spektakulär! Und das Beste ist, dass es uns nicht einen Cent kostet!
Nach diesem Erlebnis schlagen wir einen Kurs in Richtung Nordosten ein. Nachdem wir ein paar Tage am Schwarzen Meer und einigen Teeplantagen entlang geradelt sind, überqueren wir etwa zwei Wochen später die Grenze nach Georgien.
Georgien
Die Beamten an der Grenze begrüßen uns freundlich und man versorgt uns mit jeder Menge Karten- und Infomaterial über Georgien.
Wir fahren zunächst nach Batumi und müssen dabei immer wieder Schlangenlinien um die Kühe und anderes Vieh fahren, das auf den Straßen herumläuft. In Sestaponi biegen wir links ab und mühen uns bergauf, um die berühmte Katskhi-Säule zu besuchen. Das letzte Stück der Strecke führt über einen steilen und steinigen Weg. Daher schließen wir das Fahrrad an einem Pfeiler an und laufen die letzten Meter zu Fuß.
Kurz darauf erspähen wir die knapp 40 Meter hohe freistehende Kalkstein-Felsnadel. Auf dem nur 10 × 15 Meter messenden Gipfel steht eine winzige georgisch-orthodoxe Klosteranlage! Es ist ein leicht surrealer Anblick. Auf den Felsen hinausklettern darf man leider nicht. So schauen wir uns ein wenig in der Umgebung um, machen eine Pause am Fuße der Felssäule und setzen unseren Weg dann fort.
Wir quälen uns durch die Berge Georgiens mit Anstiegen von bis zu 14 Prozent! So bekommen wir einen ersten Vorgeschmack darauf, was es bedeutet mit dem Fahrrad in der Kaukasus-Region zu fahren. Von Zeit zu Zeit steigen wir ab, um das Fahrrad die Berge hinauf zu schieben. Das ist aber nicht weniger anstrengend als der Versuch hoch zu radeln.
Über Gori, die Geburtsstadt von Josef Stalin, erreichen wir nach ein paar Tagen die georgische Hauptstadt Tiflis, wo wir ein paar Tage in der Altstadt verbringen.
Als wir wenige Tage später das Visum für den Iran in den Händen halten, setzen wir uns wieder auf den Drahtesel und radeln in Richtung Süden. Bevor wir jedoch den Iran besuchen können, müssen wir zunächst noch Armenien durchqueren.
Armenien
Die Fahrt durch den nördlichen Teil Armeniens ist trotz einiger Anstiege eher einfach. Somit erreichen wir innerhalb weniger Tage die armenische Hauptstadt Jerewan.
Während einer Pause auf den Stufen eines historischen Gebäudes, werden wir von einer jungen Frau angesprochen.
„Seid ihr hier für das Filmfestival?“ fragt sie.
„Filmfestival? Was für ein Filmfestival?“ fragen wir zurück.
„Heute startet hier ein europäisches Filmfestival. Der Eintritt ist frei. Habt ihr Lust zu kommen?“ ist ihre Antwort.
„Gerne“, entgegnen wir. „Wo genau findet es statt?“
Sie lacht. „Ihr sitzt direkt vorm Eingang.“
So erleben wir live die Premiere eines Filmfestivals und sehen zum ersten Mal einen Film seit wir diese Reise begonnen haben.
Es ist mittlerweile November. Die Tage werden kürzer und die Nächte kälter. Die einzige Straße, die in den Iran führt, verläuft entlang der Republik Bergkarabach, die von keinem Mitgliedstaat der Vereinten Nationen anerkannt wird. Der Konflikt zwischen Aserbaidschan und Armenien um dieses Gebiet hält bis heute an.
Hier werden wir mit der vollen Wucht der Berge des Kaukasus konfrontiert. Quälend langsam radeln wir die endlos lange Straße hinauf. Jeder Meter ist harte Arbeit und die Nächte sind so kalt, dass unsere Wasservorräte morgens gefroren sind.
Kurz hinter der Stadt Goris mühen wir uns eine Straße mit Serpentinen hinauf. Es geht 30 Mal hin und her. Immer wieder machen wir völlig erschöpft Pausen am Straßenrand und sind der Verzweiflung so nah, dass wir am liebsten wieder umkehren würden. Jedoch ist ein Weg zurück keine Option, da die Nächte einfach so kalt sind, dass der einzige Ausweg der Süden in Richtung Sonne ist. Als wir nach mehreren Stunden auf dem Berg angekommen sind, hält ein Pickup-Truck neben uns. Der Fahrer fragt uns ob wir eine Mitfahrgelegenheit bräuchten. Wir nehmen dankend an und rumpeln weiter durch die Berge.
Iran
Der Iran begrüßt uns mit Sonnenschein und zweistelligen Temperaturen. Auch nachts ist es zunächst wieder so warm, dass unsere Wasservorräte am nächsten Morgen nicht gefroren sind.
Egal, wo wir im Iran auch hinkommen: Die Menschen begrüßen uns überall mit „Welcome to Iran“. An unserem zweiten Tag im Land halten wir an einer kleinen Autowerkstatt, um nach Luft für unsere Reifen zu fragen. Nachdem der Mechaniker die Reifen aufgepumpt hat, fragt er, ob wir schon Mittag gegessen hätten.
„Nein, noch nicht“, antworten wir.
Daraufhin lädt er uns ein. Wir schließen also das Fahrrad in seiner Werkstatt ein, fahren in seinem Auto zu einem Restaurant und essen gemeinsam zu Mittag.
Solche Begegnungen haben wir fast täglich. Die Menschen laden uns zum Tee, zum Essen oder in ihr Haus zum Übernachten ein. Wir haben auf unserem Weg bis hier hin schon sehr viel Gastfreundschaft erlebt. Aber was wir diesbezüglich im Iran erleben ist Champions League! Obwohl es uns manchmal wirklich leidtut, lernen wir schnell auch mal „Nein“ zu einer Einladung zu sagen, da wir den Eindruck haben, sonst gar nicht mehr aus dem Land heraus zu kommen.
Wir radeln kreuz und quer durch das Land, verbringen dort Weihnachten und Neujahr mit neuen Freunden und erreichen nach zwei Monaten Bandar Abbas am Persischen Golf.
Am Fährterminal in Richtung Vereinigte Arabische Emirate treffen wir Patrick, ebenfalls aus Deutschland und mit dem Fahrrad unterwegs. Da sein Ziel auch der Oman ist, tun wir uns zusammen und radeln ab sofort im Team.
Vereinigte Arabische Emirate & Oman
In Dubai haben wir das Glück bei einem Freund von Chris unterzukommen. Tagsüber erkunden wir die Millionenmetropole, die sich über eine riesige Fläche verteilt. Das Highlight ist ein Besuch der Aussichtsplattform des Burj Khalifa, das mit 830 Metern Höhe höchste Bauwerk der Welt. Von der 125. Etage aus hat man den Eindruck über die gesamten Emirate und bis zum Oman schauen zu können.
Nach ein paar erholsamen Tagen setzen wir unsere Fahrrad-Weltreise gemeinsam mit Patrick fort. Wir füllen unsere Vorräte auf und machen uns auf den Weg in die Wüste. Es ist kaum noch Verkehr auf den Straßen als wir Dubai verlassen haben. In der Wüste können wir die Zahl der Autos fast an einer Hand abzählen.
Als wir den Oman erreichen, haben wir mit starkem Gegenwind zu kämpfen. Dadurch schaffen wir schaffen im Schnitt nur noch 60 Kilometer Strecke am Tag.
Der Wind peitscht uns den Sand ins Gesicht und die hohen Temperaturen zwingen uns mittags lange Pausen im Schatten einzulegen. Glücklicherweise findet man in jeder Ortschaft eine Moschee, in deren Außenbereich wir uns aufhalten dürfen. Manches Mal bringt uns der Imam sogar eine Schüssel Datteln und etwas Kaffee.
Über die Oasenstadt Nizwa erreichen wir dann nach neun Tagen endlich die omanische Hauptstadt Maskat. Wir klopfen uns erst einmal kräftig den Sand aus dem Pelz und freuen uns endlich mal wieder duschen zu können. So lange mussten wir noch nie ohne Dusche auskommen.
Um die Zeit bis zu unserem Flug nach Vietnam zu überbrücken, pushen wir uns ein weiteres Mal durch die Berge, um noch etwas entlang der Küste nach Sur und zurück zu touren. Kurz darauf finden wir uns am Flughafen wieder und besteigen den Flieger nach Hanoi.
Weiterführende Links Fahrrad-Weltreise Teil 2
- Fahrrad-Weltreise Teil 1: Von Deutschland in die Türkei
- Fahrrad-Weltreise Teil 3: Corona Ausbruch in Vietnam
- Fahrrad-Weltreise Teil 4: Lockdown in Laos
- Expedition1000GER
- Bicycle Touring: Cycling the world
229