10.000 Kilometer Meilenstein an der Ha Long Bucht

Fahrrad-Weltreise Teil 3: Corona Ausbruch in Vietnam

Mit dem Urlaubär per Fahrrad durch Vietnam nach Laos

Was bisher geschah …

»» Fahrrad-Weltreise Teil 1: Von Deutschland in die Türkei
»» Fahrrad-Weltreise Teil 2: Von der Türkei durch den Kaukasus und den Iran in den Oman

„Nein, nein, nein!“, schrie ein Ladenbesitzer Chris und mir ins Gesicht, als wir vor der Tür standen. Er machte abweisende Gesten mit seinen Armen, damit wir nicht einmal versuchen würden, seinen Laden zu betreten. Dabei wollten wir nur ein paar Lebensmittel für den Tag kaufen. Heute würden wir Vietnam verlassen und nach Laos einreisen.

Wir überquerten die Straße zu einem anderen Geschäft. Die drei älteren Damen darin bedeckten ihre Münder und Nasen mit ihren Händen, sobald sie uns sahen. Mit aggressiven Gesichtsausdrücken schrien sie uns auf Vietnamesisch an und machten auch offensichtliche Gesten, um sicherzustellen, dass wir auch diesen Laden nicht betreten würden.

Wir versuchten es wieder und wieder bei anderen Geschäften, Restaurants und Straßenhändlern. Jedes Mal wurden wir jedoch ich mit ähnlichen Reaktionen abgewiesen. Niemand ließ uns seinen Laden betreten, geschweige denn wollte uns Essen verkaufen.
Mit solchen Reaktionen konfrontiert zu werden, nur weil wir anders aussahen als die Einheimischen, löste ungewohnte Gefühle in uns aus. Zuerst waren wir nur irritiert und etwas nervös. Aber je öfter wir abgelehnt und angeschrien wurden, je mehr stieg in uns auch eine gewisse Wut auf. Wir fühlten uns wie Außerirdische. Klar gucken die Leute immer ein wenig komisch, wenn ich als Urlaubär irgendwo auftauche. Aber das hier war ein anderes Format.

Die Leute schienen uns lieber verhungern lassen zu wollen, als etwas zu essen zu verkaufen, so dass wir ihr Land auf dem schnellsten Wege verlassen konnten.

Chris und ich versuchten einen kühlen Kopf zu bewahren, aber waren besorgt: Wo und wann würden wir wieder etwas zu essen bekommen? Wir hofften, dass es spätestens in Laos sein würde und wägten unsere Optionen ab. Unsere einzige Idee war, unsere letzten Vorräte zu rationieren, bis wir Laos erreichen würden. Wir warfen einen Blick in die Fahrradtaschen und fanden eine halbe Packung Cracker und zwei Orangen …

Mit leeren Mägen ächzten wir langsam die steile Bergstraße zum Nam Phao International Checkpoint hinauf.
Was war passiert?

Ankunft in Vietnam

Einen Monat zuvor sind Chris und ich aus Maskat im Oman nach Hanoi geflogen. Als wir am Flughafen ankamen luden wir das Fahrrad und unser Gepäck in ein Taxi und checkten in ein Hostel in der Innenstadt ein.

Vietnam - Der Urlaubär in Hanoi (Bitte genau hingucken)
Der Urlaubär in Hanoi (Bitte genau hingucken)© ferienwohnungen.de

In den letzten Tagen berichteten die Nachrichten über den Ausbruch einer neuen Art von Virus in Wuhan in China, der sich jetzt auf andere Länder ausbreitete. Die meisten Gespräche begannen jetzt wie folgt: „Hast du von diesem Virus in China gehört?“
Aber niemand wusste wirklich etwas darüber, außer dass es COVID-19 hieß. Viele Leute nahmen an, dass es sich um eine Art Grippe handelte und das Virus daher bald verschwinden würde.

Hanoi - Vogelkäfige in der Train Street
Hanoi – Vogelkäfige in der Train Street© ferienwohnungen.de

Am nächsten Morgen baute Chris das Fahrrad wieder zusammen und wir begannen die Stadt zu erkunden. Das Verkehrsaufkommen in Hanoi im Vergleich zum Oman war eine andere Geschichte. Während der Verkehr im Oman recht überschaubar war, waren die Straßen hier voller Motorrollerfahrer. Anfänglich wirkte das chaotisch auf uns. Aber wir merkten schnell, dass es eigentlich ziemlich gut organisiert war und der Verkehr immer im Fluss war. Das Radfahren zwischen den Motorrollermassen und das Mitschwimmen im Verkehrsstrom machte sogar richtig Spaß.

Motorroller in Hanoi
Motorroller in Hanoi© ferienwohnungen.de

Der Freund eines Freundes gab uns den Tipp, dass der Ha Giang Loop im Norden von Vietnam etwas ist, dass man wirklich erlebt haben muss.
„Ich bin die Schleife vor zwei Jahren mit einem Motorrad gefahren und es ist die schönste Gegend, die ich je in meinem Leben gesehen habe“, sagte er. „Es ist sicherlich eine Herausforderung mit dem Fahrrad, aber ich denke es ist machbar.“
Andere Hostelgäste erzählten uns ebenfalls von ihren Loop-Erlebnissen und wie sehr sie es genossen hatten.
Wir dachten uns: „Okay! Warum nicht!? Es scheint tatsächlich etwas zu sein, was man in Nordvietnam erlebt haben muss.“ Eine Woche später verließen wir Hanoi in Richtung Ha Giang.

Mit dem Fahrrad auf dem Ha Giang Loop

Ein paar Tage später verließen Chris und ich Ha Giang und folgten der Straße entlang eines Flusses. Die Straße war komplett flach und wir wunderten uns, warum uns alle sagten, dass es eine harte Tour werden würde. Es dauerte nicht lange, bis uns klar wurde, warum!

Vietnam - Der Ha Giang Loop
Der Ha Giang Loop© ferienwohnungen.de

Ganz langsam ächzten wir eine steile und kurvige Bergstraße hinauf.
Die Verkehrsschilder zeigten Steigungen von 12 Prozent an. Der Fahrradcomputer spuckte jedoch Zahlen weit darüber aus. Im Laufe der nächsten Tage fiel uns auf, dass auf jedem Schild 12 Prozent stand, was den Eindruck erweckte, dass die Straßenbehörden einen Mengenrabatt für das 12-Prozent-Schild erhalten hatten und schlichtweg überall aufgestellt haben, unabhängig von der tatsächlichen Steigung … 😉

Pause auf dem Ha Giang Loop
Pause auf dem Ha Giang Loop© ferienwohnungen.de

Es kostete uns sechs Tage und viel Schweiß, um die Schleife über Dong Van, Meo Vac und dann entlang des Gam River zurück nach Ha Giang zu radeln. Ohne die Hilfe einiger Motorradfahrer hätte es vermutlich noch länger gedauert. Dreimal wurden wir bis auf den nächsten Pass oder die nächste Stadt abgeschleppt. Oft saßen wir am Straßenrand und fragten uns, warum wir uns das eigentlich antun. Sobald wir aber den nächsten Gipfel oder Aussichtspunkt erreichten, wurden wir mit spektakulären Aussichten belohnt, die den Schmerz und die Qualen vergessen ließen – zumindest bis wir vor dem nächsten Hang standen. Einige Ansichten waren so spektakulär, dass wir eine Gänsehaut bekamen.

Vietnam - Aussicht auf dem Ha Giang Loop
Aussicht auf dem Ha Giang Loop© ferienwohnungen.de

Chris, der Dösbaddel, hat irgendwann seine Action-Kamera verloren, wodurch leider einiges an Foto- und Filmmaterial verloren gegangen ist.

Erste Corona Anzeichen in Vietnam

Inzwischen durften keine chinesischen Staatbürger mehr nach Vietnam einreisen. Wir nahmen einen Nachtbus von Ha Giang nach Ha Long, um Zeit auf Chris‘ Visum zu sparen. Ha Long war eine Geisterstadt. Viele Geschäfte und Restaurants waren geschlossen und es war kaum jemand auf den Straßen zu sehen. Sie waren so leer, dass wir darauf in Schlangenlinien radeln konnten.

Die Hostelbesitzerin sowie einige andere Kleinunternehmer erzählten uns, dass etwa 90 Prozent der Touristen in Ha Long aus China kommen, aber da sie das Land nicht mehr betreten durften, waren die Stadt und ihre Geschäfte im Grunde tot.

An der Ha Long Bucht
An der Ha Long Bucht© ferienwohnungen.de

Eine Bootsfahrt durch die weltberühmte und spektakuläre Ha Long Bucht und ein paar Tage später radelten wir in Richtung Ninh Binh. Als wir entlang der Bucht radelten, erreichten wir die 10.000-Kilometer-Marke auf dieser Fahrrad-Weltreise! Wir hätten uns keinen spektakuläreren Ort für diesen Meilenstein wünschen können. Bis hier hin hatten wir keine Probleme hinsichtlich des Corona Virus. Mit wem auch immer wir sprachen, es wurde als „chinesische Sache“ angesehen. Deshalb wurden wir stets sehr freundlich empfangen.

Vietnam - 10.000 Kilometer Meilenstein an der Ha Long Bucht
10.000 Kilometer Meilenstein an der Ha Long Bucht© ferienwohnungen.de

Ein Gästehausmanager und Chris hatten sich bereits auf den Preis für eine Nacht geeinigt, aber plötzlich änderte der Manager seine Meinung und sagte, dass er uns aufgrund von COVID-19 nicht beherbergen kann. Wir waren ein wenig verwirrt, da nur ein paar Sekunden zuvor alles in Ordnung war. Wir überquerten die Straße und checkten in ein anderes Gästehaus ein. Die Besitzerin, eine ältere Dame, schien froh zu sein, uns als Kunden begrüßen zu können.

Vietnam - Der Urlaubär an der Ha Long Bucht
Der Urlaubär an der Ha Long Bucht© ferienwohnungen.de

Die folgenden Tage verbrachten wir in Ninh Binh. Wie schon zuvor in Ha Long, waren auch hier nur wenige Touristen anzutreffen. Corona-mäßig war jedenfalls alles ruhig. Daher dachten wir, dass es ein einmaliger Vorfall war, dass wir bei dem Gästehaus abgelehnt wurden.

In Vietnam bricht Panik aus

Nun, das war es nicht! Von nun an änderten sich die Dinge rasant. Wir radelten entlang der Küste und kamen am frühen Nachmittag in einer verschlafenen Küstenstadt an. Unsere Idee war, schnell eine Unterkunft zu finden und den Rest des Tages am Strand zu verbringen, um zu schnorcheln. Dieser Plan ging jedoch nicht auf! Jede Unterkunft wies uns ab. Alle aus dem gleichen Grund: Corona! Wir fühlten uns nicht gerade willkommen.

Ninh Bình im Norden von Vietnam
Ninh Bình im Norden von Vietnam© ferienwohnungen.de

Es wurde schon dunkel, als wir doch noch ein kleines Home Stay fanden, das bereit war uns zu beherbergen. Die junge Dame fragte, wie lange wir uns schon in Vietnam aufhalten würden. Als sie merkte, dass wir uns schon eine Weile im Land unterwegs waren, sagte sie: „Ich denke, ihr könnt hierbleiben, aber ich muss auch meine Mutter davon überzeugen, dass es okay ist. Sie hat Angst vor dem Virus. “

Einige Minuten später zeigten sie uns das Zimmer.
„Könnt ihr das Zimmer heute Nacht bitte nicht mehr verlassen?“ fragte die junge Dame. „Offiziell dürfen wir derzeit aufgrund des Virus keine Gäste aufnehmen, und wir möchten keine Probleme mit den Behörden bekommen, sollte ein Nachbar euch sehen und es melden.“
Wir versicherten, drinnen zu bleiben. „Aber was ist mit Abendessen?“
„Wir kochen etwas und bringen es aufs Zimmer „, sagte sie. „Oh, und noch etwas. Ihr müsst morgen früh vor acht gehen.“
Wenig später brachte sie ein Tablett mit hausgemachten Essen aufs Zimmer. Sich in dem Zimmer „verstecken“ zu müssen, fühlte sich nicht gut an und jetzt wurden wir nervös, wie das Reisen mit dem Fahrrad in Zukunft aussehen würde.

Am nächsten Morgen bedankten wir uns bei der Familie, dass sie uns aufgenommen hatten und machten uns wieder auf den Weg. Von nun an bedeckten immer mehr Menschen Mund und Nase mit ihren Händen und drehten uns den Rücken zu, sobald sie uns die Straße entlangkommen sahen. Kinder am Straßenrand zeigten auf uns und riefen: „Corona, Corona“. Je öfter wir mit solchen Reaktionen konfrontiert wurden, desto mehr fühlten wir uns in Vietnam nicht mehr willkommen. Deshalb radelten wir in den folgenden Tagen von Sonnenaufgang bis Sonnenuntergang, um möglichst viele Kilometer zurückzulegen und das Land schnellstmöglich zu verlassen, in der Hoffnung, dass die Situation in Laos entspannter sein würde.

Laos in Sicht

Ein paar Tage später ächzten wir nun langsam die Bergstraße zum Grenzposten hinauf. Auf halber Höhe machten wir eine Pause, aßen eine der Orangen und ein paar Cracker. Die andere Hälfte unserer Vorräte bewahrten wir sicherheitshalber auf, da wir nicht wussten, ob wir auf der anderen Seite der Grenze etwas zu essen bekommen würden. Es war wahrscheinlich die leckerste und saftigste Orange unseres Lebens.

Ein vietnamesischer Grenzbeamter bat Chris einen Mund-Nasenschutz aufzusetzen. Daraufhin verließen wir Vietnam, ein paar Minuten später bekam Chris sein Laos-Visum und wir reisten in Land Nummer 18 auf dieser Reise ein.

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